- Planung:
ansgar staudt architekten, Basel
- Fotos:
Mark Niedermann
- Bauweise:
Massivholzbau - Fassade:
Unbehandelte Weißtanne - Nettonutzfläche:
177qm
Erstaunlich variabel zeigt sich dieses Wohnhaus von Ansgar Staudt Architekten im Ortskern von Rodersdorf südwestlich von Basel. Eine unkonventionelle Vertikalbauweise mit zwei offen gestalteten Treppenhäusern, die über Velux Dachfenster belichtet werden, schafft nicht nur offene Räume mit viel Tageslicht. Sie ermöglicht zudem perspektivisch die Verwandlung vom Einfamilienhaus in zwei separate Wohneinheiten und einen altersgerechten Umbau.
Der Massivholzbau steht in zweiter Reihe einer denkmalgeschützten Dorfzone. Das Holzhaus wurde in Brettsperrholz konstruiert und gefertigt. Die Gebäudedämmung planten die Architekten ausschließlich in Holzfaserdämmung mit einer vorgehängten hinterlüfteten Holzfassade in unbehandelter Weißtanne. Auf den Massivholzdecken erfolgte die Schüttung mit einem Holzgranulat, darauf eine Trittschalldämmung in Holzfaserdämmung. Holzriemenboden, Türen und Fenster sind ebenfalls in Weißtanne ausgeführt. Alle Installationen und Verbindungen sind gefügt oder geschraubt. Die Verwendung von Beton beschränkt sich auf die Bodenplatte und die Stützmauern.
Tradition trifft Moderne
Die vertikal hinterlüftete und rhythmisch angeordnete Holzfassade sowie der Einsatz ortstypischer Ornamente stellen einen lokalen Bezug her. Das Wohnhaus lehnt sich typologisch und formal an die Ökonomiegebäude im Dorf an. Während dort eine Tenne die Scheune vom Wohntrakt trennt, bildet hier der Erschließungs und Sanitärbereich eine Zäsur zwischen den Wohn und Schlafräumen an den beiden Giebelenden.
Das variable Wohnhaus wurde als Einfamilienhaus entworfen mit der Besonderheit zweier Treppenhäuser, die als Lichtfugen konzipiert sind. Das durch Dachfenster einfallende Tageslicht gelangt durch die offene Treppenkonstruktion bis hinunter ins Erdgeschoss. Weiß lasierte Holzwände reflektieren das konzentrierte Tageslicht zusätzlich und unterstützen den hellen Raumeindruck. Durch die doppelte Vertikalerschließung lässt sich das Haus später in zwei Wohneinheiten aufteilen. Ebenso kann bei Bedarf ein Treppenhaus entfernt und durch einen rollstuhlgängigen Hublift ersetzt werden.
Auch das zentral im Obergeschoss gelegene Bad ist teilbar. Noch überrascht es mit einer Größe und Offenheit, die von außen kaum zu erwarten wäre. Der Effekt wird durch die diagonal versetzten Dachfenster und die Glastrennwände an beiden Enden verstärkt. In Kombination mit dem Seitenlicht, das durch die ornamentale Holzverschalung einfällt, erhält der Raum viel Tageslicht aus unterschiedlichen Richtungen.
Natürliche Lüftung dank Kamineffekt
Dank der Dachfenster konnte auf eine mechanische Gebäudelüftung verzichtet werden. Bei geöffneten Türen und Fenstern im Erdgeschoss kommt der Kamineffekt zum Tragen. Verbrauchte, warme Luft steigt nach oben und zieht über die Dachfenster ab, während unten frische Luft nachströmt. So werden die Räume auch an Sommerabenden auf angenehme Weise gekühlt. Zusätzlich kann über eine intensive Querlüftung von Nord und Süd effektiv gelüftet werden. Das Gebäude wird zudem komplett autark von einer Solarkollektoranlage mit einem gekoppelten Stückholzofen über einen zentralen Warmwasserspeicher beheizt und mit Warmwasser versorgt.
Das wandelbare und moderne Konzept des Wohnhauses Engelweiss überzeugte auch die Jury des Velux Architektenwettbewerbs 2022, die das Projekt mit einer Nominierung würdigte.
Maik Seete, Hamburg
Publikation Mikado 3.2023