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Erstaunlich variabel zeigt sich dieses Wohnhaus von Ansgar Staudt Architekten im Ortskern von Rodersdorf südwestlich von Ba­sel. Eine unkonventionelle Vertikal­bauweise mit zwei offen gestalte­ten Treppenhäusern, die über Velux Dachfenster belichtet werden, schafft nicht nur offene Räume mit viel Ta­geslicht. Sie ermöglicht zudem per­spektivisch die Verwandlung vom Einfamilienhaus in zwei separate Wohneinheiten und einen altersge­rechten Umbau.

Der Massivholzbau steht in zwei­ter Reihe einer denkmalgeschützten Dorfzone. Das Holzhaus wurde in Brettsperrholz konstruiert und ge­fertigt. Die Gebäudedämmung plan­ten die Architekten ausschließlich in Holzfaserdämmung mit einer vor­gehängten hinterlüfteten Holzfassa­de in unbehandelter Weißtanne. Auf den Massivholzdecken erfolgte die Schüttung mit einem Holzgranulat, darauf eine Trittschalldämmung in Holzfaserdämmung. Holzriemenbo­den, Türen und Fenster sind ebenfalls in Weißtanne ausgeführt. Alle Instal­lationen und Verbindungen sind ge­fügt oder geschraubt. Die Verwen­dung von Beton beschränkt sich auf die Bodenplatte und die Stützmauern.

Tradition trifft Moderne
Die vertikal hinterlüftete und rhyth­misch angeordnete Holzfassade so­wie der Einsatz ortstypischer Orna­mente stellen einen lokalen Bezug her. Das Wohnhaus lehnt sich typo­logisch und formal an die Ökonomie­gebäude im Dorf an. Während dort eine Tenne die Scheune vom Wohn­trakt trennt, bildet hier der Erschlie­ßungs­ und Sanitärbereich eine Zäsur zwischen den Wohn­ und Schlafräu­men an den beiden Giebelenden.

Das variable Wohnhaus wurde als Einfamilienhaus entworfen mit der Besonderheit zweier Treppenhäuser, die als Lichtfugen konzipiert sind. Das durch Dachfenster einfallende Tageslicht gelangt durch die offene Treppenkonstruktion bis hinunter ins Erdgeschoss. Weiß lasierte Holzwän­de reflektieren das konzentrierte Ta­geslicht zusätzlich und unterstützen den hellen Raumeindruck. Durch die doppelte Vertikalerschließung lässt sich das Haus später in zwei Wohn­einheiten aufteilen. Ebenso kann bei Bedarf ein Treppenhaus entfernt und durch einen rollstuhlgängigen Hub­lift ersetzt werden.

Auch das zentral im Obergeschoss gelegene Bad ist teilbar. Noch über­rascht es mit einer Größe und Of­fenheit, die von außen kaum zu er­warten wäre. Der Effekt wird durch die diagonal versetzten Dachfens­ter und die Glastrennwände an bei­den Enden verstärkt. In Kombinati­on mit dem Seitenlicht, das durch die ornamentale Holzverschalung ein­fällt, erhält der Raum viel Tageslicht aus unterschiedlichen Richtungen.

Natürliche Lüftung dank Kamineffekt

Dank der Dachfenster konnte auf eine mechanische Gebäudelüftung ver­zichtet werden. Bei geöffneten Türen und Fenstern im Erdgeschoss kommt der Kamineffekt zum Tragen. Ver­brauchte, warme Luft steigt nach oben und zieht über die Dachfenster ab, während unten frische Luft nach­strömt. So werden die Räume auch an Sommerabenden auf angenehme Weise gekühlt. Zusätzlich kann über eine intensive Querlüftung von Nord und Süd effektiv gelüftet werden. Das Gebäude wird zudem komplett au­tark von einer Solarkollektoranlage mit einem gekoppelten Stückholz­ofen über einen zentralen Warmwas­serspeicher beheizt und mit Warm­wasser versorgt.
Das wandelbare und moderne Konzept des Wohnhauses Engelweiss überzeugte auch die Jury des Velux Architektenwettbewerbs 2022, die das Projekt mit einer Nominierung würdigte.

Maik Seete, Hamburg
Publikation Mikado 3.2023